Herbst

Aus der Wolkenbruchstelle
strömt flüssiges Licht.

Das Flammenmeer des
Herbstlaubes leckt
mit feuriger Zunge
am Horizont.

Kaminrauch flüstert
die Flanke des Himmels hinauf.

Der waldbedeckte Hügel
atmet schwer in der Abendglut
wie ein großes,
fellbewachsenes Tier.

Der Honigtau leuchtet
warm auf den Wiesen.

Der Torso des
kopflosen Baumes
krümmt sich kahl
im Westwind.
Der nebelnasse Bart der Bergwand
hängt efeutropfend ins Tal.

Der Herbst hat sich
aufs Land gelegt,
wie ein buntes Mosaik
aus Kirchenglas.


Zuhause

Der grottendunkle Unterschlupf,
in dem ich meine Haut ablege
und den Schattenstimmen der Welt
Widerstand entgegenflüstere.

 

Die rosttropfenden Wände
schließen zu mir auf.
Die furchtverhangenen Fenster
blinzeln schwarz.

 

Die Staublunge
überfüllter Bücherregale
voll dahinwelkender Worte
hustet Vernachlässigung.

 

Ich rolle mich im Unrat
meiner Gedanken zusammen
und zittere dem Morgen
entgegen.


Vogelfrei

Vogelfrei
die Gedanken
mit angstflatterndem Flügelschlag.
Der löscht
die Zuversicht aus meiner Stimme.

Ein Zähneklappern
gewittert durch meine Glieder.

Die schmelzende Hoffnung
versiegelt mir das Gesicht.

 

Die Unendlichkeit
bläht meinen Geist auf
wie ein ungesprochenes Wort.

Verzagen friert
auf meinen klammen Fingern.

Ich schluchze Furcht
die Stunden.
Im Kaleidoskop
ungezählter Möglichkeiten

Zerrieben zu einem Konjunktiv.

 


Traumwandeln

Der Schlaf fließt

in den Raum;

er sickert blind

in die Ecken;

er tastet sich traumtrunken

durch dickflüssiges Dunkel;

er irrt mit panischem Puls

durch groteske Gänge des Schlummers,

ein Labyrinth verlogener Maße.

 

Das Zimmer stülpt sich um;

der Raum verschluckt sich selbst;

die Perspektiven falten sich tausendfach;

die Ferne verengt sich zum Grenzwert;

die Winkel kreischen Widersinn;

das unten fällt nach oben;

die Ecken und Kanten schmelzen;

das Altvertraute geifert fremd.

 

Ich kann das Licht nicht finden.


Unkraut

Das Unkraut
überwindet den Gartenzaun;
es streut seine Hoffnungen
in den Wind;
es durchbricht das Pflaster
harter Gewohnheit;
seine Wurzeln nagen an der
Steinkruste überkommener Vorstellungen;
die kraftsatte Saat
treibt tief in trächtige Erde;

 

Das Unkraut rupft voll Übermut die
strenge Regelmäßigkeit aus Rabatten und Beeten;
es durchstößt dornenzornige Hecken
mit neckend blinzelnden Blüten;
es blüht , es sprießt, es bläht seine Knospen
und protzt mit üppigen Farben;
es wuchert wild frohlockend
in einen Himmel ungetrübter Erwartung;

 

Mein innerer Spatz zwitschert:
Freiheit.


Ungeziefer

Eine Armee angstätzender Ameisen
schwärmt mir über meine Hirnrinde.
Auf acht haardürren beinen
krabbelt mir die Furcht ins Genick.
Sinnweben verleimen mir die Wimpern.
Ich bin blind für die Schatten.
Wie eine Rotte todespanischer Ratten
wimmeln die Gedanken durch das
Starkstrom-Labyrinth meines Geistes.
Mit Sorgen gemästet
nisten Läuse in meinen Augenbrauen.
Mein von Würmern und Maden
zernagter Verstand
zersetzt sich zu einem zähen Sirup
der Ohnmacht.
Bettwanzen kriechen in meinen Schlaf
und legen ihre Brut in meine Träume.
Aus den Eiern schlüpft Ausweglosigkeit.
Sattgesaugt mit prallem Leib
nährt sich die Zecke
von meinem Zorn
bis der Blutsack platzt.